Ein aufgetauchtes U-Boot Kunst am Schiff
Gottfried Bechtold (geb. 1947) gilt als Aushängeschild der Vorarlberger Kunstszene. Der Denker-Künstler hat mit seinem Betonporsche 1971 die Epoche der zeitgenössischen Kunst nach Bregenz gebracht.
Text Mag. Wolfgang Ölz Fotos Archiv Gottfried Bechtold Foto- und Textredaktion agenturengel Published nobleSee 09, 2019
Mit seinen jeweils 193 Stück umfassenden Bronze- und Porzellin-Miniausgaben-Serien der Oesterreich hat er nicht nur eine von ihm bewunderte Aktion zur Erhaltung eines historisch wertvollen Schiffes unterstützt, sondern seinem künstlerischen Werk eine weitere überzeugende Facette hinzugefügt.
Wenn Gottfried Bechtold manuell-skulptural arbeitet – dem Digitalen begegnet er mit einer gewissen Reserviertheit –, dann greift er auf etliche Materialien zurück, sei es nun der berühmte Beton, Eisen, Gips, Holz oder eben Bronze oder Porzellin. Der Betonporsche vor der Galerie Krinzinger in Bregenz hat ihm 1971 folgenden Spottvers in der Tagespresse eingebracht, den Bechtold gerne selbst zitiert. Öffentliche Kritik war für ihn nämlich immer eine Form der „Kraftnahrung“. „Die Kunst flieht entsetzt, wenn Beton das Gehirn ersetzt“, so lautet der Vers. In der Ausstellung anlässlich der Verleihung des Klocker Preises 2018 hat er sich – im Unterschied etwa zu der großen Personale im Lentos Kunstmuseum in Linz zum 70. Geburtstag 2016 – intensiv mit dem Material Holz auseinandergesetzt. Für das Schiff-Projekt kam für den Künstler Holz nicht in Frage, weil es ihm zu nahe an der Wirklichkeit ist, und gerade, weil es im Wasser schwimmen könnte. Porzellin ist ein Material, das zerbrechlich ist wie eine Kaffeetasse und genauso wie Bronze nicht schwimmen kann. Es kann im Gegensatz dafür stehen, dass ein Ding wie die Oesterreich, die nicht mehr in See stechen konnte, jetzt wieder auf dem Bodensee schwimmen kann.
Die Liebe zur Bronze
Schon lange hegt Gottfried Bech-told eine besondere Leidenschaft für die Bronze. Große Beispiele sind die Ready Maid vor dem Festspielhaus in Bregenz, aber auch die Colonna Infinita vor dem Haus 2226 in Lustenau, die eine Art Initialzündung für Bronze als Material der Skulpturen von Gottfried Bechtold bedeutete. 2021 wird zum 50-jährigen Jubiläum des Betonporsches übrigens eine Edition von Mini-Bronze-Porsches zu erwerben sein.
Die Bronze- und Porzellin-Schiffchen sind jedenfalls der Kunst und keineswegs dem Kunsthandwerk oder dem Industriedesign zuzurechnen. Die ewige Frage, was Kunst sei, ist, seit Marcel Duchamp ein Pissoir auf einen Sockel stellte und zur Kunst erklärte, für Gottfried Bechtold unbeantwortbar, weil sich der Begriff „Kunst“ einer absoluten Beurteilung entzieht. Da hat die Kunst aber keineswegs eine Sonderstellung; wenn etwa ein Arzt die falschen Pillen verschreibt, dann ist das schließlich immer noch Medizin, wenn auch eine schlechte. Ähnlich verhält es sich mit der Kunst. Allerdings ist es Gottfried Bechtold wichtig, keinem elitären Kunstbegriff das Wort zu reden. Jeder Mensch habe Beurteilungskompetenz dafür, was echte Kunst ist. Kunst sei nur unter Umständen eine exotische Sprache, und Unkenntnis könne eine gewisse Blockade hervorrufen.
Die Kunst zu leben
Die Schiffchen erscheinen in Serie, eine gängige Praxis, seit Daniel Spoerri die sogenannten „Multiples“, Kunstwerke in höherer Auflage, erfand und die amerikanische Minimal Art Reihen von ähnlichen Kunstwerken schuf. Für Gottfried Bechtold hat die Serie einen sozialen Vorteil: Kunstwerke werden so auch für die kleine Geldtasche erschwinglich. Zum Geld hat Gottfried Bechtold sowieso ein eher lockeres Verhältnis. „Göpf“ hat richtiggehend Angst davor, zu viel Geld zu besitzen, was er durch seine Kunst durchaus haben könnte, da das Geld vom realen Leben ablenke. Geld verursache in großen Mengen Persönlichkeitsveränderungen, unter denen der Betreffende nicht selten zu leiden habe.
Gottfried Bechtold kommt ins Schwärmen, wenn die Rede auf die Rückführung der Oesterreich in ihren ursprünglichen historischen Zustand kommt. Es handle sich um eine „euphorische, hochmotivierte und hochengagierte Gruppe von Menschen, die sich die Erhaltung der Oesterreich zum Ziel gemacht hat“. Allein schon die Restaurierung der eleganten Art déco-Einrichtung des Schiffs ist eine außergewöhnliche Kulturleistung. Es fasziniert ihn, dass in einer grassierenden Wegwerfgesellschaft ein Signal gesetzt wird, indem ein altes, gediegenes, historisch unschätzbares Kulturgut nicht am Müll bzw. am Grund des Schwäbischen Meeres landet, sondern wieder instand gesetzt wird. Seine Bronze- und Porzellin-Schiffchen sind ja eigentlich eindeutig auf den Kopf gestellte Boote, eigentlich U-Boot-ähnliche Wasserfahrzeuge. Das hat für Gottfried Bechtold eine metaphorische Bedeutung: Die Oesterreich sei ein erneuertes Schiff, das jetzt wieder auftaucht, genauso wie ein U-Boot.
Die Signatur hat für Gottfried Bechtold eine besondere Bedeutung. Sehr bekannt ist seine Signatur geworden, weil er damit den Silvretta-Staudamm signiert hat, um auf das Leid der Zwangsarbeiter in der NS-Zeit hinzuweisen. Seine Signatur, die er im Rahmen eines spektakulären Landart-Projektes in Lech in den Schnee geschrieben hat, eröffnet einen Diskurs darüber, wie wichtig oder wie hinfällig eine Signatur und damit das Werk eines Künstlers überhaupt ist. Auch auf den Schiffchen ist die Unterschrift des Künstlers zu finden.
Gottfried Bechtold ist längst zu einem Klassiker der Spätmoderne geworden. Ein Beleg dafür ist die Beachtung in großen kunstwissenschaftlichen Publikationen wie etwa dem Standardwerk „Signaturen der Moderne“ von Joachim Heusinger von Waldegg. Auch prominente Ausstellungsbeteiligungen in Deutschland im Haus der Geschichte in Dresden zum Thema „Die Deutschen und ihre Autos“ und in der Nationalbibliothek in Berlin unter dem Titel „Die Kunst des Reisens“ weisen ihn als aktuell stark nachgefragten Künstler aus.